Peter C. Krell on Mon, 3 Feb 2003 04:50:00 +0100 (CET) |
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Re: [rohrpost] Nachtrag zum bootlab |
Am Samstag, 1. Februar 2003 15:57 schrieb Florian Cramer: > Ähnlich wie Mercedes sehe ich hier die Gefahr eines Platonismus mit > umgekehrten Vorzeichen, in dem die Hardware Essenz ist und die Software > mit ihren Abstraktionsschichten verderbter Abglanz dieser Essenz. Ein > Essentialismus, in dessen Falle meiner Meinung nach Kittler und seine > Schule geraten sind. Wenn die Welt im physikalischen Sinne ihrer Konzeption eine universelle Turingmaschine wäre, wie man es bei Prof. Friedrich A. Kittler schwarz auf weiss in einem Buch namens "Draculas Vermächtnis" als Denkmöglichkeit nachlesen kann, was wäre dann Software? Der besagte Essay ist betitelt mit folgender Überschrift: "Es gibt keine Software". Man muss natürlich schon in der Lage sein, Kittler mit Lacan zu lesen, wenn man ihn diesbezüglich kritisieren will. Wenn ich Florian richtig verstehe, tut er dies bis zum grad der Unbewusstheit doch sehr gut. Es ist immer sehr spannend ihm zu lauschen. Auch seine Schriften scheinen immer gut von ihm und seinen Systemen prozessiert zu werden. Vorbildlich. Aber natürlich auch nicht immer perfekt. Also doch menschlich und an seine manchmal auch "es" sagende Hardware gebunden. Im besagten Text über Software ist bei Prof. Kittler nach einer Anleihe bei Prof. Wolfgang Hagen die Rede von einem "postmodernen Turm zu Babel", der sich auf nicht mehr nachvollziehbaren undokumentierten Programmierfehlern seit 1945 gründet. Altlasten also mit langen zeitlichen Wurzeln (vgl. Zu Altlasten Heidegger über abendländische Philosophen und deren vorkybernetische Ontologie). Womit sie eben aber nicht entschuldigt seien, sondern vielmehr zu einer "Software Explosion" im doppelten Sinne führen - ; Zu lesen steht genau: (jeder redet über Kittler kaum einer kennt seine Texte, um so ärgerlicher also, wenn einer, der sie kennen müßte, sich dann als superficial outet oder einfach seinem Recht auf Vergessen fröhnt.) "Seitdem Computer implementiert werden können, ab 1943 auf Röhrenbasis, ab 1949 auf Transistorbasis, besteht auch das Problem, die universalen, selber aber unlesbaren Schreib-Lese-Maschinen irgendwie zu beschreiben und zu lesen. Seine Lösung heißt bekanntlich Software, also Entwicklung höherer Programmiersprachen. Das uralte Monopol der Alltagssprachen, ihre eigne Metasprache zu sein und damit keinen Anderen des Anderen mehr zu haben, ist zusammengebrochen und einer neuen Hierarchie der Programmiersprachen gewichen. Dieser postmoderne Turm von Babel reicht mittlerweile von schlichten Befehlt-Codes, deren linguistische Extension noch eine Hardwarekonfiguration ist, über Assembler, dessen Extension genau jene Befehls-Codes sind, bis zu so genannten Hochsprachen, deren Extension nach allen möglichen Umwegen über Interpreter, Compiler und Linker wiederum Assembler heißt. Schreiben ist heute also auch als Softwareentwicklung eine schier endlose Kette von Selbstähnlichkeiten, wie die fraktale Geometrie entdeckt hat. Nur dass es, im Unterschied zum mathematischen Modell, eine physisch-physiologische Unmöglichkeit bleibt, all diese Schichten noch zu erreichen. Moderne Medientechnologien sind, schon seit Film und Grammophon, [wie Computerspiele auch] daraufhin angelegt, die Sinneswahrnehmungen zu unterlaufen....." (S.228-229) Die Hardware wird dabei rein physikalisch gedacht. Mit all ihrem verrauschten Anteilen. Dazu gehört auch, dass die mit der Ausführung dieser Operation "Denken" in Verbindung stehende Materie "Körper" sich rekursiv als Teil des materiellen Universum begreift und selbst als im Modus Hardware denken kann, -- wobei ihre Antipode und dies wäre meine Ergänzung auch in einem n-dimensionalen Universum eine angenommene ewige Leerstelle also Antimaterie schlecht hin ist. Wo Zen Buddisten also den Boden aller Krüge selbst in der tiefbödigsten Grundlosigkeit von Kelchen als das Vorhanden-sein von zuhandenem Nicht-Vorhanden-Sein oder Immateriellen denken, setzt im Siegeszug der Software Software als Software ein, "nicht ohne dabei von ihrer Dunkelheit zu profitieren" (S.234). In die ähnliche Richtung bewegt sich Musik als zunächst materieloses Phänomen, deren Materialisierung wird im Zuge einer geisteswissenschaftlichen, in Hardware eingegossenen Anstrengung nachhaltig erschlossen worden ist und die sich nicht mal so eben als grundlose "Hardware Fixiertheit" abtun lässt. (Genau so wie ein DJ von seinem Einkaufsbudget für Platten, seinen connections zu einzelnen Labels und Promotern und/oder seinem Plattenplatz im doppelten Sinne abhängt. Bei diesem Vergleich kann man ruhig erinnern, dass DJs wie Programmierer auch im Flusserischen Sinne Systemtester und bei allem Anspruch Partizipienten am Weltkapitalismus sind, auch wenn sie zumeist als "non-commercial" gelten wollen. Siehe IBM Linux. Denn überleben muss jeder. Hm.) Und gerade aus diesem universellen, Mathematik und Physik basierten theoretischen Blickwinkel ergibt sich doch erst die Copyrightdebatte um geistiges Eigentum, die wir im Grunde genommen auch immer erst als eine Hardware fixierte führen können... Meme hingegen sind auch unbegriffen greifbar. Mit was für einem Telos Prof. Kittlers Text -zu seiner Zeit wohlgemerkt- bahnbrechend ins Niemandsland des Unbewußten vorstößt... Dies bleibt eine unwiederbringliche kulturelle Bemühung, deren Überschrift eigentlich "Aufklärung" tragen müßte und die man nicht immer wieder, sobald neue oder ewig Unwissende im Raume sind, neu zu rechtfertigen haben müsste. Besonders ärgerlich wird es immer dann, wenn es sich dabei um Leute handelt, die den Titel Geisteswissenschaftler auch ganz offiziell irgendwo mit sich zu führen suchen und irgendwo im Sinne Serres von Kittler profitieren... Ich denke, dass man einmal von diesem ambrosischen (nicht Celanschen) Text-Trank gelabt, zu Taten auf anderen epistemischen Ebenen dennoch in der Lage sein kann ( bzw. Computerspiele-Technologie-Anwendungen hierbei als eine mögliche Ebene betrachten könnte, gerade im Bereich AR- und MR-Entwicklung), und sich den geistigen Käfig Universum nicht all zu eng vorstellen sollte, denn am Ende obsiegt die Täuschung möglicherweise doch über das Wahrhafte und plötzlich glaubt man zu meinen, es gäbe Software oder es gäbe sie nicht. Ein Skandal wäre es immer hin schon, wenn es sie nicht wirklich gäbe und ein Ausdruck der Freiheit zu behaupten, es gäbe sie doch. Am Ende gibt es sie vielleicht in einer anderen Dimension möglicherweise parallel zum ebenfalls ad acta gelegten Weltgeist. Eruptiv und phasenweise -- und dennoch irgendwie kontinuierlich als weißes, indifferentes Rauschen. For... while do...until A plus, Peter ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/