Krystian Woznicki on Wed, 23 Jan 2002 14:54:13 +0100 (CET)


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[rohrpost] Re: SMS-Encounters


Hi,

At 13:26 22.01.02 +0100, Oliver Frommel wrote:
 >diese ankuendigung ist doch wirklich nicht ueberzeugend. sie geht
 >davon aus, es gibt viele leute, die mit
 >handies telefonieren. ok. dann gibt es noch drei/vier kuenstler, die
 >handy-projekte machen. dann noch ein paar andere facts
 >aus der welt der mobilen telekommunikation (auch die marines haben handies
 >etc).
 >aber daraus dann eine derartige politische
 >und kulturelle brisanz zu konstruieren, entbehrt doch jeder grundlage.

Es geht weniger darum eine politische, sowie kulturelle Brisanz zu 
kronstruieren,
als sie angesichts des Booms (mehr Handy als Internet User in d. u.a.)
und der kulturalisierung des mediums anhand einer generalfrage
zu untersuchen, die lautet: Kann es Oeffentlichkeit im SMS-Format
geben? Oeffentlichkeit wird also nicht per se vorrausgesetzt.
Es geht vielmehr darum die Projekte, die in diese Stossrichtung
experimentieren, mit unserem Fragenkatalog zu konfrontieren:

Welchen Einfluß können diese Medien, die unser Kommunikationsverhalten
bestimmen, wirklich auf die Öffentlichkeit nehmen? Sind sie nur "profitable
Applikationen" ? "Ein gültiger Wettbewerbsbeitrag besteht aus einem
beschränkten Zeichenumfang", schreiben die Veranstalter des
160-Zeichen-Literaturwettbewerbs in ihren Teilnahmerichtlinien. Wie
beschränkt und fragmentarisch aber kann gültige Öffentlichkeit sein? Und
wenn Milliarden sprachlicher Ausdrucksfindungen mit 160 Zeichen auskommen
müssen: Wie kann eine solche sprachliche und technische Reduktion
ästhetisch widergespiegelt (und kritisiert) werden?

Mehrere medienspezifische Fragen sollen deshalb zum Thema dieser
Podiumsdiskussion werden: In welcher Form benutzen Menschen Handy und
TV/Radio gleichzeitig? Was für Brüche zwischen Privatsphäre und
Öffentlichkeit ergeben sich, wenn ein mobiles mit einem prinzipiell
immobilen Medium kurzgeschlossen wird? Und was für Inhalte können über
diese Grenze transportiert werden? Welche soziale Dimension hat die
Verknüpfung von mobiler Medientechnologie und Schriftsprache? Prägt der
SMS-Stil einen neuen Begriff von Öffentlichkeit? Oder handelt es sich
lediglich um eine weitere Plattform für unkontrolliertes Rauschen? Oder hat
gar die Fundamentalkritik recht und das Massenvolumen des E-Textes findet
One2one unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt?

 >ich denke, es ist auch wichtiger, sich den tatsaechlichen
 >oeffentlichen raum wieder anzueignen, der naemlich von denselben 
konzernen und
 >ihren politischen helfern funktionalisiert wurde.

Das interessante am Phaenomen SMS ist, wie Lovink auch bebobachtet 
[http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/11458/1.html], dass es
gegen einige herkoemmliche Logiken verstoesst: Es war nicht als DIE
killerapplication vorgesehen. Und wenn es nach der Logik des Medienkonsums 
ginge,
muesste es bald von Palms mit Handy-Aufsatz ersetzt werden: Denn das aktuelle
Eingabeinstrument entbehrt nun mal jeder Vision von Komfort. Brisant also
wie eine Applikation, die soviele Beschraenkungen, Kosten und
Operabilitaetsprobleme verursacht, dennoch  auf so viel Resonanz stossen
kann und gewissermassen einen gesellschaftlichen Testfall darstellt.

At 18:37 22.01.02 +0100, ritchie wrote:
 >"Anfang 2001 wurde ein jährlicher
 >Literaturwettbewerb des Düsseldorfer Uzzi Verlages ausgerufen, der sich
 >einfach nur "160 Zeichen" nennt;"
 >
 >wenn ich mich recht erinnere, die heftige diskussion über
 >erzwungenen reduktionismus und kunstprod. aus.
 >wurde nicht damals schon alles gesagt?

Ich denke nicht. Aspekte, die jetzt von zum Beispiel Nils Roeller eingebracht
werden, wie zB medienspezifische Sprache, die eine soziale Dimension
haben kann, sind bislang keineswegs diskutiert worden.

http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/on/11569/1.html

 >nur eine frage noch:
 >"die Rhetorik des kurzen und bündigen
 >Mediums ist zumindest ihren Ursprüngen nach demokratisch. Doch wird das
 >Phänomen auch demokratisch enden?"

Sofern von der Aneignung sowie Schoepfung eines SMS-spezifischen
Sprachkanons ausgegangen werden kann - und ich denke mal, das
koennen wir - , der nicht topdown oder genieautorisiert, sondern
bottomup gedeiht, ist demokratisch das zutreffende Attribut.

 >das wären was für ursprünge? besagte telegramme?

Die Urspruenge liessen sich vielleicht zwischen der
Entstehung des Rhetorik-Begriffs und des Telegramm-Stils
verorten.

 >da hatten wir doch vorher schon was, und das war
 >wohl eher militärisch als demokratisch, oder???

Sorry, was meinst Du damit?

Gruss,

Krystian

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