Reinhold Grether on 21 Apr 2001 17:47:04 -0000


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[rohrpost] Dienstleistung: Fluchthilfe


[From: Oliver Ressler <oliver.ressler@chello.at>]


Dienstleistung: Fluchthilfe

von Martin Krenn & Oliver Ressler

Postwurfsendung in der Steiermark an der EU-Außengrenze (A)
Ausstellung im Kunstraum der Universität Lüneburg (D)
26.4. – 21.7.2001

Ausstellungseröffnung: Donnerstag, 26. April 2001, 19:00
Kunstraum der Universität Lüneburg, Scharnhorststraße 1, Geb. 7,
D-21335
Lüneburg, Tel.: +49/4131/781210, e-mail: kunstraum@uni-lueneburg.de


"In fortress Europe you still have holes where we can enter, and people
are still entering." (Jean Jacques Effson Effa, The Voice)


Die restriktiven Einwanderungsbestimmungen der Staaten der Europäischen
Union bedeuten für MigrantInnen, dass diese kaum eine Chance haben,
legal in die EU einzuwandern und sich in einem der Mitgliedsstaaten
aufzuhalten. Die Inanspruchnahme von Fluchthilfe ist daher für diese
einreisewilligen Menschen oft die einzige Möglichkeit, die Grenzen der
"Festung Europa" zu überwinden.

Das Projekt "Dienstleistung: Fluchthilfe" verfolgt das Ziel, die durch
die dominierenden medialen Diskurse negativ besetzten Begriffe wie
"Schlepper" oder "Schleuser" umzudefinieren und positive Aspekte
herauszustreichen. Der Tatbestand "Schlepperei" wird dabei – im
Gegensatz zu weitverbreiteten Darstellungsmustern – nicht als kriminelle
Ausbeutung von Flüchtlingen dargestellt, sondern der
Dienstleistungscharakter dieses aufgrund der EUropäischen
Abschottungspolitiken notwendig gewordenen Gewerbes hervorgehoben.
Damit verbundene Themenfelder wie Grenze, Migration und Flucht werden in
Kooperation mit antirassistischen Gruppen, MigrantInnenorganisationen
und Studierenden der Universität Lüneburg bearbeitet.

Das Projekt "Dienstleistung: Fluchthilfe" wird in unterschiedlichen
Medien realisiert, z.B. als Postwurfsendung oder als Video, die
gemeinsam mit weiteren Informationsbereichen eine Ausstellung im
Kunstraum Lüneburg bilden.
Dem Projekt liegt eine prozessorientierte Herangehensweise zugrunde, die
verschiedenen Rechercheergebnisse haben im Verlauf des Projekts auf die
jeweiligen Projektteile wechselseitig Einfluss genommen.

Postwurfsendung "Neues Grenzblatt"
Beteiligte Gruppen: Plattform "Für eine Welt ohne Rassismus",
Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, TATblatt, Zebra, Maiz, The
Voice, Kanak Attak, TschuschenPower

In Kooperation mit anti-rassistischen Gruppen und
MigrantInnenorganisationen wurde die Informationsbroschüre "Neues
Grenzblatt" produziert, die als Postwurfsendung im April 2001 entlang
der gesamten EU-Außengrenze in der Steiermark (A) an 12.000 Haushalte
versandt wurde. Das Layout wurde zum leichteren Einstieg der
Auseinandersetzung mit diesen Themen eher "volkstümlich" gehalten. Durch
die populäre Gestaltung – Bilder der Region illustrieren die
Broschüre –
und mit Headlines wie "Fluchthilfe – Service mit Qualität" sollen
BewohnerInnen in der Grenzregion neugierig gemacht. Die LeserInnen
werden mit anti-rassistischen Stellungnahmen und Sichtweisen
konfrontiert, die in bürgerlichen Medien marginalisiert werden. Alle
beteiligten Gruppen haben in ihren Textbeiträgen eine Sprache verwendet,
die auch theoretisch nicht so versierte LeserInnen anspricht. Die
Informationsbroschüre wird außerdem auf verschiedenen alternativen
Wegen
distributiert (z.B. in Kooperation mit linken Gruppen) und in der
Ausstellung im Kunstraum der Universität Lüneburg zur freien Entnahme
aufliegen.

Video "Dienstleistung: Fluchthilfe"
Ein Video (DV, Farbe, 51 min), das in der Ausstellung ein zentrales
Element bildet, aber auch unabhängig davon auf themenbezogenen
Veranstaltungen und alternativen Videofestivals gezeigt wird, setzt sich
mit den hegemonialen Darstellungsmustern von "Fluchthilfe" und Migration
auseinander. Anhand von Gesprächen, die in Deutschland und Österreich
mit politisch engagierten MigrantInnen und VertreterInnen linker
Gruppierungen geführt wurden, wird die Thematik in den vier Abschnitten
"Wer darf migrieren?", "Feiern und Abschotten", "Zur Fluchthilfe" und
"Gegen Rassismus" analysiert und kritisch kommentiert.
So beschreibt ein Vertreter der aktivistischen Gruppe "Taxistas", wie in
Deutschland TaxilenkerInnen wegen der Beförderung illegalisierter
Menschen als "Schleuser" kriminalisiert werden.
Der Abschnitt "Feiern und Abschotten" ist eine "Kurzreportage" über die
neuesten Kriegsgeräte zur Grenzsicherung, die von Soldaten auf einer am
österreichischen Nationalfeiertag abgehaltenen Feier des Bundesheeres am
Heldenplatz in Wien bereitwillig präsentiert wurden. Im Abschnitt "Zur
Fluchthilfe" zeigt ein Gespräch mit einem leitenden
Bundesgrenzschutzbeamten in Frankfurt an der Oder widersprüchliche
Argumentationen auf, mit welchen versucht wird, rassistische
Abschottungsmechanismen zu legitimieren.
Das Digitalvideo wurde im März 2001 auf der Diagonale, dem Festival des
österreichischen Films, im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Politik
bilden!" erstmals gezeigt.

Ausstellung "Dienstleistung: Fluchthilfe"
Projektgruppe Lüneburg: Tina Dust, Uta Gielke, Maja Grafe, Nina
Heinlein, Patricia Holder, Mara Horstmann, Sarah Kaeberich, Nina Koch,
Susanne Neubronner, Astrid Robbers, Stig Oeveraas, Sabine Zaeske

Ausgehend von einem von uns durchgeführten Blockseminar an der
Universität Lüneburg bildeten teilnehmende StudentInnen eine
Projektgruppe. Gemeinsam mit dieser wurde ein Ausstellungskonzept
entwickelt und weitere Komponenten für die Ausstellung im Kunstraum
Lüneburg konzipiert. Bei einem gemeinsamen Besuch in Frankfurt an der
Oder wurde an der Grenze recherchiert, Teile dieser Recherche fließen in
ein von den StudentInnen produziertes Video ein, welches sich mit
weiteren Facetten zur Thematik Migration und Fluchthilfe beschäftigt.
Gespräche von Mitgliedern der Projektgruppe mit StudentInnen in
Frankfurt an der Oder, einer MigrantInnengruppe in Hamburg und
VertreterInnen des "Netzwerks gegen Rechts" in Lüneburg bilden einen
Recherchepool, der Einblicke in lokale Situationen erlaubt und den
Zugang der StudentInnen zur Thematik widerspiegelt.

In einer Wandinstallation wird anhand von Texten, Mail-Aussendungen und
Flugblättern die Arbeit der Gruppen dokumentiert, die Beiträge für
"Neues Grenzblatt" verfasst haben. Des weiteren wurden ausgehend von
einem von Ulf Wuggenig an der Universität Lüneburg geleiteten parallel
stattfindenden Seminar zu Rassismus aus der dort diskutierten Literatur
von der Projektgruppe Zitate ausgewählt. Diese verweisen in einer
Installation auf Textpassagen der Literatur, die gemeinsam mit
anti-rassistischen Zeitschriften einen theoretischen Rahmen für die
einzelnen Bestandteile der Ausstellung bilden.

Die unterschiedlichen Ebenen des Projekts werden in einer am Ende der
Ausstellung erscheinenden Publikation dokumentiert.
Im Herbst 2001 wird eine Fassung der Ausstellung im Pavel-Haus in
Laafeld an der steirisch-slowenischen Grenze realisiert.


Kontakt:
Oliver Ressler oliver.ressler@chello.at
Martin Krenn, m.krenn@t0.or.at
Projekthomepage: http://www.t0.or.at/fluchthilfe

Das Projekt wurde gefördert von:
Kunstraum der Universität Lüneburg
Verein Ökologie und Kunst, der die Kooperation von Kunst und
Wissenschaft im Rahmen der Kulturlandschaftsforschung forciert





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